Marktreise - Mit`m Messer unterwegs

Tempura – Knuspriger Teig aus Japan

Was ist Tempura?

  • Tempura wurde im 16. Jahrhundert durch portugiesische Missionare nach Japan gebracht (Stichwort: Peixinhos da horta).
  • Der Name „Tempura“ leitet sich vom lateinischen „Tempora“ ab, das die Fastenzeit bezeichnete – in der nur Fisch und Gemüse erlaubt waren.
  • Die Technik wurde in Japan ab dem 17. Jahrhundert perfektioniert, insbesondere in Edo (Tokio).
  • Authentischer Tempura-Teig besteht nur aus Wasser, Weizenmehl und manchmal Stärke – ohne Ei.
  • Industrialisierte Varianten verwenden modifizierte Stärke, Backtriebmittel und künstliche Aromen.
  • Die Globalisierung hat Tempura verwässert: In westlichen Küchen wird es oft mit Panade, Panko oder Ei verwechselt.
  • Die Herkunft des Öls (Sesamöl vs. Pflanzenöl) beeinflusst Geschmack, Rauchpunkt und Authentizität erheblich.
  • Nachhaltigkeit spielt bei industrieller Tempura-Produktion kaum eine Rolle – etwa bei Verpackung, Palmöl oder CO₂-Footprint.
  • In Japan wird Tempura als Teil einer saisonal verankerten Esskultur zelebriert – weltweit droht es zum kulinarischen Klischee zu verkommen.
  • Tempura steht sinnbildlich für die Gratwanderung zwischen Traditionshandwerk und globalem Foodbranding.


Zutaten für den Grundteig

ca. 1,2 kg Teig

reicht für ca. 40–60 Gemüse-Stücke

  • 500 g Weizenmehl (Typ 405), gesiebt
  • 100 g Reismehl für leichte knusprige Kruste
  • 5 g Backpulver (1TL) für Gemüse geeignet – nicht bei Fisch
  • 1 l. Eiskaltes Sprudelwasser
  • 1 l. Frittieröl neutral: Raps, Erdnuss

Equipment:

  • 2 Rührschüsseln (eine auf Eis)
  • Essstäbchen oder Gabel
  • Küchenthermometer oder Holzlöffel
  • Drahtrost + Blech, Küchenpapier
  • Topf (Ø ca. 30 cm) oder hohe Pfanne
  • Zange, Sieb, Gitterkelle

Zubereitung:

  • Zutaten waschen, gründlich trocknen
  • Gemüse ggf. in feine Scheiben schneiden
  • Teigschüssel auf Eis stellen
  • Mehl + Stärke + Backpulver sieben
  • Eiswasser nach und nach zugeben, mit Essstäbchen oder Schneebesen grob vermengen – Klümpchen nicht entfernen.
  • Teig eiskalt halten (Schüssel im Eisbad) und innerhalb von 30 Minuten verarbeiten.
  • Konsistenz: wie flüssige Sahne (lieber zu dünn als zu dick)

Anwenden & Hinweise

  • Öl auf 170–180 °C erhitzen
  • Zutaten, leicht mit Reismehl vor melieren.
  • Teig dünn haften lassen – nicht „paniert“ wirken.
  • Frittieröl 170–180 °C – nicht zu heiß, keine dunkle Farbe.
  • Nach dem Frittieren auf Gitter abtropfen, nicht auf Küchenpapier.

Frittierzeiten nach Zutat

  • Zarte Blätter & Kräuter: 160–170 °C  | 30–60 Sekunden
  • Früchte & zartes Gemüse : 170–175 °C  | 60–120 Sekunden
  • Wurzelgemüse (dünn):  175–180 °C  | 90–180 Sekunden

Achte auf das typische „Blühen“ des Teigs im Öl – dann passt alles!


Häufige Fehler & schnelle Lösungen

  • Zäh, Fäden ziehend - Teig zu warm, zu viel Gluten. - Mit Eiswasser lockern
  • Fettig, Öl zu kalt, Pfanne zu voll - Kleinere Mengen, Temperatur halten
  • Blass, Öl zu kühl - Temperatur erhöhen
  • Schnell weich - Teig zu dick oder zu warm - Dünner & kälter anrühren

Beilage: – Klebreis

  • 1 Tasse Reis und 1 Tasse Wasser in den Kochtopf geben.
  • Mit geschlossenem Deckel vorsichtig erhitzen, bis er kocht.
  • Die Hitze verringern, den Reis umrühren, wieder verschließen und ca. 15 Minuten köcheln lassen.
  • Den Reis von der Kochplatte nehmen und ca.
  • 20 Minuten ruhen lassen und ihn dann mit einer Gabel vor dem Servieren auflockern.
  • Die Wassermenge kann nach Geschmack variiert werden. Je mehr Wasser hinzugefügt wird, desto weicher wird der Reis.

Tipp zum Servieren

  • Mit Dipsaucen und frisch gekochtem Reis genießen.
  • Passt hervorragend zu: Sojasauce mit Mirin, Daikon-Oroshi, Ponzu oder Yuzu-Mayo.


Hintergrund zu Tempura

Tempura -  Ein Weltgericht mit portugiesischer Seele


Als es im 16. Jahrhundert portugiesische Jesuiten auf die japanischen Inseln verschlug, brachten sie nicht nur das Christentum, sondern auch Peixinhos da horta mit – grüne Bohnen in dünnem Ausbackteig, frittiert in Öl. In der Fastenzeit war Fleisch tabu, Gemüse wurde in Teig gehüllt und heiß ausgebacken. Das Wort „Tempura“ – abgeleitet vom lateinischen Tempora (Fastenzeit) – blieb. Die Technik jedoch wurde transformiert. Während die portugiesische Variante rustikal war, entwickelten die Japaner – vor allem in Edo – eine feine Kunst daraus. Sie reduzierten Zutaten auf das Wesentliche: kaltes Wasser, Mehl und saisonales Gemüse oder Meeresfrüchte.

Geschlagen wurde der Teig leicht, nicht schaumig, damit er beim Frittieren keine Blasen wirft, sondern eine fragile, knusprige Hülle bildet. Der Trick: Kalte Teigtemperatur, heißes Öl – und ein geübter Kocharm. In Kyoto gilt Tempura als Teil der Kaiseki-Küche: saisonal, meditativ, nahezu spirituell. In Osaka hingegen darf es bodenständig sein – begleitet von Dashi und Reiskugeln. Und in Tokio, dem Ursprungsort des modernen Tempura-Stils, thront es als Edomae-Spezialität auf Sushi-Niveau.

Doch während in Japan auf Präzision, Saisonalität und Fingerspitzengefühl geachtet wird, hat Tempura im Westen einen anderen Weg eingeschlagen. Tiefkühltempura aus asiatischen Supermärkten enthält modifizierte Stärken, Backtriebmittel, künstliche Aromen – und oft Ei. Letzteres widerspricht der minimalistischen Tradition und führt zu Verwechslungen mit westlichen Panaden. In vielen Kochbüchern wird sogar suggeriert, Ei sei „klassisch“.


Was auch fehlt: der Respekt vor der Saisonalität. In Japan wird Tempura mit Shiso, Kabocha, Ebi oder Maiko-Yam zubereitet – Zutaten, die Jahreszeiten spiegeln. International hat sich ein Einheitsmix durchgesetzt: Brokkoli, Garnelen, Möhren.

Der Boom der japanischen Küche – befeuert durch Sushi-Bars, Foodtrucks und Instagram – hat Tempura auf der ganzen Welt sichtbar gemacht. Doch sichtbar ist nicht gleich verständlich. Die japanische Slow-Food-Bewegung mahnt seit Jahren: Authentizität bedeutet nicht nur Rezepttreue, sondern auch Geisteshaltung.


Wenn Tempura also knusprig, golden und verführerisch auf dem Teller liegt – lohnt ein zweiter Blick. Denn unter der Kruste verbirgt sich eine Geschichte, die weit über das hinausgeht, was westliche Rezeptseiten zeigen: eine Geschichte von Missionaren, kultureller Aneignung, Veredelung, Industrialisierung – und der Frage, wie viel Identität in einem Teigmantel steckt.


Quellen:

  • Salgado, B. (2020). Portugueses no Japão. Universidade de Lisboa.
  • Yamamoto, H. (2024). Interview (Kyoto, Japan).
  • FAO. (2023). Regional Food Consumption Statistics. https://www.fao.org
  • Slow Food Japan. (2022). Culinary Heritage and Industrialization.
  • JETRO. (2023). Export Reports – Japanese Processed Foods. https://www.jetro.go.jp
  • Ajinomoto Co. (2024). CSR Report. https://www.ajinomoto.com
  • Fujimura, A. (2025). Interview (Tokyo, Japan).


Kleine Erzählung von Tony & Magnus

Knusperlügen & Krustenträume

Mit’m Messer unterwegs in Osaka


Auf dem Kuromon Ichiba Markt dampfte es schon früh. Metall klirrte, Stimmen riefen Preise. Irgendwo blubberte Öl. Schuhe klatschten über nassen Stein. Tony stand am Rand eines Ganges, neben einem Gaskocher. Die Pfanne: zentriert, Thermometer am Rand. Daneben: silberne Schüssel, Teig – fast so kühl wie das Morgengrauen. Magnus saß auf einem Fischkasten. Auf seinem Knie: ein Teller mit zarten Shiso-Blättern in Gold heller Kruste. „Knusprig, heiß, fettig – und halb Instagram nennt das klassisch japanisch“, sagte Tony. 

„Manche denken, Tempura sei Sushi mit Panade.“ „Oder Gemüse im Panko-Mantel, tieftraurig ertränkt“, erwiderte Magnus. „Berlin: Tempura-Gemüse, paniert, schwer, in Sojasauce versenkt. Du schmeckst nichts – du riechst nur Fritteuse.“ Tony hob die Schüssel. Der Teig glitzerte vor Kälte. „Regel eins: Kruste darf nicht lügen. Tempura ist Luft. Eiswasser, Kuchenmehl, Spur Stärke. Drei Stäbchenschläge. Stopp, bevor Gluten aufwacht.“

Vor melieren. Eintauchen. Loslassen. Kein Papier. Nur Gitter. Tony tauchte ein Shiso-Blatt ein. „Hörst Du aufs Öl, 175 Grad klingt wie Regen.“ Er ließ das Blatt los, nicht geführt, nur losgelassen. Es sank ins flüsternde Öl, ich fragte mal eine Köchin: „Was ist Tempura?“ Sie sagte: „Das, was Du nicht siehst – Luft zwischen Teig und Gemüse.“

Das Blatt war fertig. Tony hob es an. Gold, hell, fast durchsichtig. Beide horchten. Ein leises Knacken. Dann: Stille. „Kurs eins für Mit’m Messer frittiert“, sagte Magnus. „Handruhe.“ Tony nickte. „Untertitel: Wenn Luft kurz Haut bekommt.“

Ein paar Schritte weiter trat eine ältere Frau aus einem schmalen Stand. Tuch überm Haar, trockene Hände, ruhiger Blick. Vor ihr: flacher Topf, Gitter, drei Schalen – Salz, Matcha-Salz, Tsuyu.

Sie sah Tonys Schüssel, dann ihre. „Ihr rührt zu höflich“, sagte sie. „Drei Schläge. Nicht vier.“ Sie tauchte ihre Stäbchen ins Eiswasser, ließ eine Spur Stärke ins Mehl fallen. Dann: eins, zwei, drei – Stopp. „Öl lügt nicht.“ Ein Tipp mit dem Stäbchen, das Öl antwortete: „shhh“.

Sie nahm eine Garnele, melierte sie hauchdünn, zog sie durch den Teig, ließ sie ins Öl gleiten. Kein Zögern. Kein Überschuss. Nur: ksssch – und blühende Spitzen an der Kruste. Tony flüsterte: „Blühen.“ „Nur solange Luft Haut hat“, sagte sie. Sie hob die Garnele über das Gitter. Kein Papier. Kein Drücken. Sie reichte jedem eine Garnele. Ein klares Knacken. Dann: nichts. Kein Fett. Nur Süße, ein Hauch Nuss vom Öl, ein Hauch Meer.

„Kruste, die nicht lügt“, sagte Tony. „Kyoto-Style“, sagte Magnus. Sie nickte. „Style ist Haltung. Nicht Deko.“ „Und eine Lektion, die bleibt“, sagte Magnus. Die Frau begann aufzuräumen. „Morgen rührt ihr allein“, sagte sie. „Drei Schläge. Nicht vier.“ Ein Lautsprecher knackte. Händler riefen Mittagsangebote. 

Drei Shiso-Blätter trockneten auf dem Gitter – wie goldene Ohren. Tony löschte den Brenner. Magnus wischte sich einen Tropfen Öl aus dem Bart. Beide nickten. Dann: noch ein Bissen.