Marktreise - Mit`m Messer unterwegs
Tony & Magnus
am Mercado de Vegueta

Die Halle atmet kalt wie Eis und warm wie Kaffee, beides zugleich. Wir treten durch den Eingang an der Calle Mendizábal, und das Licht fällt in Streifen über Kacheln, Körbe, Schulterpaare. „Das ist eine Uhr ohne Zeiger“, sagt Tony, „sie tickt mit Messern.“ Aus dem Hof schiebt Zugluft, irgendwo klicken Bleche, eine Kiste Papas rutscht über Stein, als wäre sie schon auf dem Weg in einen Topf. Die Stände bilden Gänge wie Notenlinien; man muss nur den Einsatz finden.
Ana hebt den Cherne (Zackenbarsch) von
dem Bett aus Eis, als wäre er ein Satz, der noch eine Betonung braucht. „Haut zuerst, nicht stören, Salz am Schluss“, sagt sie, und der Satz legt sich auf die Zunge wie ein Versprechen. Nebenan glänzt Vieja,(Papageifisch) die Kiemen ein ruhiges Rot, das nach Geduld verlangt. Tony prüft die Fasern mit dem Daumen und nickt, als hätte er verstanden, was das Meer heute sagen wollte. „Zwei Stück, für den Bordstein“, sage ich, und die Halle antwortet mit einem kurzen Metalllaut, als würde sie das absegnen.
Wir verlieren uns zwischen Oliven aus Temisas und der heiseren Stimme eines Rösters. Beim Obstmann säbelt ein stumpfes Messer eine Mango auf, die dennoch aufklappt, als habe sie das schon tausendmal geübt. Ein Kind zählt Orangen, stolpert bei neun, fängt wieder bei eins an; das ist Rhythmusunterricht, denke ich. Am Kräuterstand hängt Hierba-Luisa zwischen Minze und Anís, und eine ältere Verkäuferin erzählt, wie die Leute erst nach Tees, dann nach Salben fragten. „Früher nur hierbas, heute auch Fragen.“ Sie lacht, wie jemand, der gelernt hat, dass Wandel am besten mit heißem Wasser funktioniert.
Die Barra (Theke) ist kurz und begehrt; zwei Hocker sind ein halbes Königreich. Wir angeln uns die Kante, Espresso kurz, ein Stück Churro, Zuckerstaub wie feines Mehl auf den Lippen. Tony tippt auf die Durchgänge. „Ökonomie über Fläche“, murmelt er, „wer die Ecke hat, fängt die Eiligen.“ Ein Gemüsehändler – José, zweites Paar Hände in zweiter Generation – zuckt mit der Schulter. „Mieten sind wie Flut. Wir halten, solange die Steine halten. Freitag ist Welle.“ Seine Papas bonitas liegen in Netzen wie kleine Versprechen; er packt uns eine Tüte, als wolle er die Woche beschweren, damit sie nicht davonfliegt.
Im Hof ziehen die Galerien Schatten, unten glänzt das Wasser vom Spritzen der Theken. Eine Bäckerin schiebt uns ein Laibchen zu, Holzofen, rau vernarbte Kruste. „In der Mitte drücken, hörst du?“ Die Wärme bleibt in den Fingern, während irgendwo ein Abfluss gurgelt und zwei Händler ein Angebot mit Blicken fertigverhandeln. Es riecht nach nassem Stein, Zitronenschale, Metall, Vanille. Die Halle ist kein Theater, sag ich mir, aber sie hat Szenen.
„Kaufst du Gofio (gemahlenes Getreide von Mais, Weizen, Mischungen) für Escaldón (Brei, indem man Gofio mit heißer Brühe übergießt)
für den Morgen?“ fragt die Frau am Mühlenstand, und Tony antwortet, ohne den Blick von den Mörsern zu nehmen: „Für das Loch zwischen beidem.“ Wir nehmen Koriander, Knoblauch, Kreuzkümmel – die stillsten Wörter im Satz „Mojo“. Ein Barista stößt den Siebträger frei, das Geräusch ist der Punkt am Ende eines Absatzes. Eine Tour-Gruppe flutet kurz die Gänge, zerfließt am Fleisch, versiegt vor der Kräuterwand. Alles geht, alles bleibt, alles dreht sich weiter.
Gegen zehn wird das Tempo dichter, die Stimme der Halle höher. Preise wie Pingpong, Waagen wie kleine Tatsachenmaschinen. Eine Frau mit strengem Dutt blockiert entschlossen einen Gang, bis ihr Käse auf der Waage liegt. Tony nickt ihr anerkennend zu. „Ordnung durch Widerstand“, sagt er leise, als hätte er die Regel in der Mitte der Luft gefunden.
Wir kehren zu Ana zurück; sie wiegt, schneidet, packt, und jeder Schnitt sitzt wie ein Taktstrich. „Nicht zu heiß, nicht zu lang.“ Ihre Augen ruhen auf der Klinge. „Der Fisch spricht leise, wenn du ihn lässt.“ Draußen, vor der Tür, liegt die Stadt wie auf Pause: Triana glitzert mit Schaufenstern, das Pérez-Galdós-Theater steht gegenüber wie ein älterer Nachbar, der viel gesehen hat und jetzt nichts sagen muss. Wir gehen ins Helle, der Markt bleibt am Ohr wie ein Geräusch, das man auch im Freien hört.
Auf dem Bordstein kümmert sich ein Campingkocher um die Papas; Blasen steigen, die Schale runzelt, Salz kristallisiert als dünner Hauch. Der Cherne liegt in der Pfanne, Haut nach unten, still wie angewiesen. Mojo verde rühren wir zu einem Satz, der im Mund weitergeht: Koriander, Essig, Öl, ein Flüstern Kreuzkümmel. Mojo rojo setzt ein Ausrufezeichen daneben – Paprika, Knoblauch, die Idee von Schärfe. Tony salzt am Schluss, und der Fisch nickt innerlich, als wäre nun alles an seinem Platz.
Wir essen auf Kniehöhe, Rücken an die warme Mauer, die Tasche neben uns wie ein kleiner Vorratssommer. Die Stadt zieht in Streifen vorbei, die Guaguas(Lienenbusse) lassen Schatten durch die Bäume wehen. „Morgens sind Märkte gerechter“, sagt Tony. „Alle haben dieselbe Uhr, alle dieselbe Kälte an den Händen.“ Ich knuspere Haut, schmecke Meer und Öl, und irgendwo fällt ein Blech mit Brot aus dem Ofen, als bekäme der Vormittag Applaus. Später tragen wir die Stille im Bauch wie ein frisch gefülltes Notizbuch. Der Markt hat uns nicht bedient, denke ich, er hat uns Takt gegeben. Und der Takt hat gekocht.
Fazit
Vegueta ist ein Vormittagsmotor: Wer früh kommt, versteht den Takt. Wir kaufen kurz, kochen simpel, lassen die Produkte reden – der Rest ist Temperatur und Timing. Die Halle zeigt, wie Ökonomie über Fläche läuft: Ecken fangen Wege, Bars fangen Gespräche. Zwischen Papas, Cherne und Mojo lernt man, dass Salz am Schluss auch eine Haltung ist. Und wenn wir später gehen, bleibt etwas zurück, das mit uns weiterarbeitet – ein stilles Messer, das den Tag dünn schneidet.
Rezeptkarte
Papas arrugadas
mit Mojo rojo & Mojo verde
(Bordstein-Version Vegueta)
Ergibt | Zeit aktiv | Schwierigkeit
4 Portionen | 25–30 Min | leicht
Einkauf (Qualitätsmerkmale)
Kleine, festkochende Papas (2–4 cm), sauber, unbeschädigt.
Koriander frisch, Blätter sattgrün.
Knoblauch fest. Süßer Paprika, Kreuzkümmel,
grobes Meersalz, guter Essig, Olivenöl nativ extra.
Zutaten
Papas:
- 1.000 g kleine kanarische Kartoffeln, 30 g Meersalz, 1 l Wasser.
Mojo verde:
- 25 g Korianderblätter, 1 Knoblauchzehe, 40 ml Weißweinessig, 80 ml Olivenöl, 1 g Kreuzkümmel, 2 g Salz, 20 ml Wasser.
Mojo rojo:
- 2 Knoblauchzehen, 6 g Paprikapulver süß, 1 g Kreuzkümmel, 40 ml Weißweinessig, 80 ml Olivenöl, 3 g Salz, 10 ml Wasser, optional 1 g scharfe Paprika.
Zubereitung
- Papas waschen. In Topf geben. Salz und Wasser zugeben (Wasser knapp bedecken).
- Aufkochen. Offen 15–20 Min sanft garen, bis weich.
- Abgießen. Topf auf kleinster Hitze schwenken, bis die Schale trocken und leicht grau-weiß salzig ist.
- Mojo verde: Koriander, Knoblauch, Kreuzkümmel, Salz, Essig, Wasser fein mixen. Öl in dünnem Strahl einlaufen lassen. Abschmecken.
- Mojo rojo: Knoblauch, Paprika, Kreuzkümmel, Salz, Essig, Wasser pürieren. Öl zugeben. Optional Schärfe einarbeiten.
- Papas mit beiden Mojos servieren.
Tipps von Tony & Magnus
- Papas nur knapp mit Wasser bedecken.
- Restfeuchte verdampfen lassen, erst dann „arrugar“. (Runzelige Schale)
- Mojos nicht zu dick; sie sollen fließen.
- Zimmerwarm servieren; Papas heiß.
Sicherheit & Qualität
- Salzmenge nicht reduzieren: Sie formt Textur und Kruste. Knoblauch frisch verwenden. Saubere Messerbretter für Kräuter.
- Abwandlungen
- Mojo verde mit Petersilie halbieren.
- Mojo rojo mit Mandeln binden.
- Zitronenzeste in den grünen Mojo.
Pairing
- Wein: Malvasía seco, DO Gran Canaria.
- Alkoholfrei: Zitronenverbene-Eistee, leicht gesüßt.
Marktprofil
1. Name und Standort
Offizieller Name: Mercado de Vegueta. Adresse: Calle Mendizábal 1, 35001 Las Palmas de Gran Canaria.
Der Markt liegt im Altstadtviertel Vegueta, nahe der Mündung des Barranco de Guiniguada und gegenüber dem Teatro Pérez Galdós.
Du erreichst ihn zu Fuß aus Triana in wenigen Minuten. ÖPNV: zahlreiche Guaguas mit Haltestellen im Umfeld; der Markt ist gut angebunden.
Öffnungszeiten laut Stadt: Montag–Donnerstag 7–14 Uhr; Freitag, Samstag und an Vorfeiertagen 7–14:30 Uhr. Prüfdatum: 28.08.2025.
Die Stadt nennt für Vegueta 82 Stände und die offizielle Website mercadovegueta.com.
2. Historischer Hintergrund
Vegueta gilt als erster fester städtischer Markt der Kanaren. Ein geregelter Verkaufsplatz entstand bereits 1787 als Vorläufer.
Der Neubau datiert aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Das Haus wurde 1856 projektiert und 1858 offiziell eröffnet. Die Finanzierung folgte der Desamortisation unter Pascual Madoz. Der Standort stärkte die Versorgung der wachsenden Stadt. Quellen benennen Manuel de Oraá, Provinzialarchitekt, als Planer oder maßgeblichen Gestalter.
Der Marktraum diente früh als Treffpunkt von Erzeugern der Insel und städtischer Nachfrage. Die Nähe zum damaligen Bettenlauf des Guiniguada war für Anlieferungen günstig. Heute gilt das Bauwerk als Symbol der Stadtgeschichte.
3. Architektur und Infrastruktur
Das Gebäude steht im historischen Kern von Vegueta. Es ist ein Marktbau des neunzehnten Jahrhunderts mit klarer Funktionsgliederung.
Die Grundform folgt einem klösterlichen Schema. Ein Hof liegt im Zentrum. Umlaufende Galerien erschließen die Stände. Die Konstruktion kombiniert Mauerwerk und Metallbauteile. Öffnungen und Arkaden geben Licht und Luft. Der Haupteingang liegt an der Calle Mendizábal. Der Innenraum ist klar zoniert.
Frischebereiche liegen nahe gut belüfteten Zonen. Der Markt ist stufenarm zugänglich.
Die Stadt bestätigt Barrierefreiheit im Netz der kommunalen Märkte. Kühltheken und Nassbereiche sichern die Kälteführung an Fleisch- und Fischständen.
Die Anlage bewahrt historische Proportionen und erfüllt zugleich aktuelle Anforderungen.
4. Händlerstruktur
Die Stadt nennt zweiundachtzig Stände. Du findest Obst und Gemüse, Fleisch und Charcutería, Fisch, Käse, Gewürze, Kräuter, Brot, Kaffee und kleine Bars. Familienbetriebe prägen das Bild.
Ein traditionsreicher Kräuterstand ist dokumentiert; das Angebot wuchs im Lauf der Jahre um Para-Apotheke-Artikel.
Der Anteil regionaler Produzenten ist sichtbar. Importware ergänzt saisonal das Sortiment.
Es gibt feste Stammplätze und rotierende Kleinstände für Saisonware. Sitzplätze konzentrieren sich an den Bars.
Der Marktkern bleibt Lebensmitteleinkauf für den Haushalt.
5. Kulinarisches Angebot
Im Fokus stehen Inselprodukte. Tropical-Früchte aus dem Süden, Oliven aus Temisas, Fleisch aus Valleseco, Brote aus Holzöfen, Heilkräuter und lokale Süßwaren füllen die Körbe. Käse hat Gewicht, darunter Queso Flor de Guía g. U. Beliebt sind Gofio, Mehle aus geröstetem Getreide, und klassische Saucen Mojo rojo und Mojo verde.
Für den Einkauf zu Hause eignen sich kleine Kartoffeln für Papas arrugadas, Fisch wie Vieja oder Cherne und saisonales Gemüse.
Bars schenken Kaffee, Schokolade und Wein der DO Gran Canaria aus. Das Spektrum spiegelt die Vielfalt der Inselküche.
6. Soziale und kulturelle Bedeutung
Der Markt ist ältester Lebensmittelmarkt der Stadt und ein Alltagsanker. Er dient als Treffpunkt am Morgen. Bewohner kaufen für die Woche ein. Besucher mischen sich in die Gänge.
Offizielle Stellen bezeichnen Vegueta als Symbol der Stadt und als einen der meistbesuchten Märkte.
Sonntags ergänzt der Kunsthandwerks-Mercadillo im Quartier das Angebot. Die Preispunkte reichen vom günstigen Grundbedarf bis zu Spezialitäten.
Sitzplätze sind knapp und wertvoll. Der Markt bildet eine Brücke zwischen historischem Kern und heutiger Stadt.
7. Zukunft & Wandel
Die Stadt bewirbt „Mercados saludables“ und stärkt Märkte als Orte bewusster Ernährung.
Vegueta modernisierte Abläufe schrittweise. Öffnungszeiten wurden in der Vergangenheit getestet und angepasst. Der Markt bleibt am Vormittag konzentriert. Abends dominiert im Stadtgebiet der Gastronomie-Charakter eher im Mercado del Puerto.
Tourismusdruck im Altstadtbereich erhöht die Erwartungen an Service und Qualität. Diskussionen über Flächen für Gastro versus reine Lebensmittel bleiben präsent.
Kernthema bleibt die Balance zwischen Stammkundschaft, fairen Preisen und lebendigem Quartier.
8. Praktische Hinweise
Beste Besuchszeit: früh am Tag. Dann sind Fisch und Kräuter am frischesten, die Gänge leerer und die Beratung länger.
Kartenzahlung ist weit verbreitet; Kleingeld beschleunigt kleine Einkäufe.
Frage vor Fotos.
Packe eine leichte Tasche mit Kühlakku für Fisch und Käse.
Nimm danach einen Kaffee an der Bar, überquere den Platz zum Pérez-Galdós-Theater und laufe weiter nach Triana.
An Vorfeiertagen ist es voller; plane Puffer. Die Guaguas halten in Laufweite; Linie dreizehn verbindet u. a. Tres Palmas und den Markt.
9. Quellenverzeichnis
Verloren gegangen!
Dies bitte ich zu entschuldigen